"Unser hart arbeitendes Volk wird
gewinnen!"
(Die Unreifen)
Wenn wir die Bibel lesen, können wir aus der
Geschichte der Menschheit schließen, dass der Mensch ein sündiges, rebellisches
Wesen ist. Es fällt ihm schwer, die Gebote zu befolgen. Schon das erste
Menschenpaar sündigte, dann tötete Kain
seinen Bruder, eine moralisch verdorbene Generation wurde durch eine Flut
vernichtet, und es folgten Sodom und
Gomorrah. Dazwischen liegt der Turmbau zu Babel, durch den die Menschen zerstreut wurden und sich seitdem
nicht mehr verstehen, weil sie verschiedene Sprachen sprechen. Die Liste ließe
sich fortsetzen, aber bleiben wir beim Turmbau
zu Babel stehen.
Die große Bruegel-Ausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien wurde im Januar 2019 geschlossen.
Mehr als 400.000 Besucher sahen die fast 40 Gemälde und 60 Drucke. Obwohl Wien wegen der 12 Gemälde von Bruegel, nicht zuletzt wegen des Turms von Babel, immer einen Besuch
wert ist, wurden dieses Mal die „Türme“ aus Wien
und Rotterdam nebeneinander gezeigt.
Warum ist die
Kunst von Bruegel so interessant und
attraktiv? Zweifellos wegen seines unerbittlichen Realismus, aber vor allem
wegen seiner einzigartigen Vision, die selbst im Vergleich zu den großen
Künstlern der Renaissance erstaunlich kühn war: Der Mensch ist nicht mehr das
Zentrum des Universums, wie es bei Michelangelo
oder Leonardo der Fall war. Schauplätze
sind vor allem die Niederlande, die
Zeit ist das 16. Jahrhundert, auch wenn sich der Maler von religiösen und
mythologischen Themen inspirieren lässt. Die Spannung ist in den Gemälden
spürbar. Bald marschiert Fürst Alba
in die Provinz ein und lässt Protestanten hinrichten. Und wenn wir die Kinderspiele und den Kindermord von Bethlehem gedanklich
nebeneinander stellen, wird deutlich, wie leicht die scheinbare Idylle in ein
Gemetzel umschlagen kann.
In der biblischen
Geschichte des Turmbaus fehlt die Figur des Nimrod, des Herrschers der Stadt, von dem Josephus Flavius schreibt, dass er den Bau des Turms angeordnet
hat. Er wurde auch von Dante in
seinem Inferno als grobe Figur erwähnt.
Virgil sagte: "Wegen seines bösen Plans / Hat die Welt keine gemeinsame Sprache".
(31:77-78) Sogar im Fegefeuer wird
sein Ehrgeiz erwähnt. (12:34-36) (1) Die Gestalt
von Nimrod war populär. Sebastian Brant, der als der deutsche Dante gefeiert wurde, spricht im Narrenschiff über ihn. (1494) (1)
Nicht weit vom Turm entfernt, auf einer kleinen Anhöhe, so dass man ihn gut erkennen kann, nähert sich der König mit seinem Gefolge, die Krone auf dem Kopf, das Zepter in der Hand. Die Maurer knien vor ihm nieder (das ist die einzige orientalische Besonderheit). Die Baumeister, die Arbeiter, können sich den Befehlen des Königs nicht widersetzen, sie arbeiten mit aller Kraft, unaufhörlich. Sie sind alle an einem Ort, sie sprechen eine Sprache, sie befolgen alle die Befehle des Herrschers. Es ist erschreckend. Wie viele Menschen rennen in dem gigantischen Bauwerk auf und ab, das hier und da schon bröckelt, sich in den Himmel streckt und zu einem undurchdringlichen Labyrinth wird? Obwohl der Turm auf einen Felsen gebaut war, sagte, Dante er sei zum Einsturz verurteilt. Die Strafe ist noch nicht gekommen, das göttliche Wort ist noch nicht gesprochen, aber wir können schon auf dem Bild sehen, dass der monströse Plan zum Scheitern verurteilt ist: Das Unternehmen bricht von selbst zusammen. Das Eingreifen Gottes ist fast überflüssig.
Wie Rose-Marie und Reiner Hagen schreiben,
hat kein anderer Maler die gigantischen Dimensionen des Turms je so wirkungsvoll
dargestellt. Wie er einen Schatten auf die Küste wirft! Der Turm ist umgeben
von der stillen Stadt, dem Fluss und dem Meer. Hoch oben ziehen die Wolken am
blauen Himmel auf. Obwohl es sich um ein biblisches Thema handelt, stellt Bruegel das Gebäude als ein
zeitgenössisches Unternehmen voller realistischer Details dar. Jedes Detail ist
wahr. Jedes einzelne ist Teil des malerischen Konzepts, eine Struktur ohne
Zentrum.
Das etwas spätere
Rotterdamer Bild ist viel kleiner,
aber im Verhältnis ist dieser Turm immer noch der größere. Und durch das Fehlen
der Nimrod-Szene vermitteln die
Düsternis und die Monumentalität des Turms ein stärkeres Gefühl von Arroganz
und Sinnlosigkeit. Der Mensch ist noch kleiner und unbedeutender. Die rote
Farbe und die Wolken suggerieren Bedrohung, auch wenn dort oben fieberhaft
gearbeitet wird. Jedes Bild ist auf seine eigene Weise brillant.
Das Motiv hat also die Jahrhunderte
überdauert und ist in die ungarische Literatur eingeflossen. Was bei Vörösmarty positiv war, nämlich dass
wir beim Bau des Babel eines neuen
Zeitalters durch die "Tür des
Himmels" (2) blicken könnten, wurde bei
Ady zum Symbol des Unverständnisses:
"Wird das Babel aller Sklaven
Doch erwachen, wird es Tag?" (3)
(Ungarisches Jakobinerlied, 1908)
(1) Nimrod
wird von Kézai (Chronist des 13.
Jahrhunderts) als Vorfahre der Ungarn angesehen. János Arany:
"Hunor Magor zwei Helden,
Zwei Brüder, Söhne von Menroth."
(Ein Gedicht über
das wundersame Reh)
(2) Gedanken
in der Bibliothek, 1844
(3) Von Heinz
Kahlau